Oftmals problematisiert Meta Isæus-Berlin Fragen der Größe, des Formats und des Gebrauchswerts in ihrer Arbeit. Ihre Gegenstände
entnimmt sie dabei dem Alltags-Kontext, verändert und verdreht sie aber dermaßen, daß der
Betrachter durch das, was er an Wissen über
leicht lesbare Kunstwerke mitbringt, eher noch
vemirrter ist. Ähnlich wie bei Charles Ray sind
die Dinge nicht das, was sie zu sein scheinen
(und auch nicht das, was sie ursprünglich sein
sollten). Was leicht scheint, erweist sich als
schwer, Trockenes ist naß, Innen und Außen sind
gegeneinander vertauscht. Sie arbeitet nicht nur
mit dem Noema, wie der Philosoph Edmund
Husserl es vielleicht genannt hätte, wenn er
denn Kunstkritiker gewesen wäre, nein, sie
bringt es zur Explosion.
Ein neueres Projekt im nordschwedischen Umeå
mag Isæus-Berlin’s Praxis veranschaulichen: Sie
zeigte ein gewöhnliches Badezimmer, das nicht
nur insofern aus dem Zusammenhang gerissen
war, als es sich im Freien befand (wer braucht
schon ein Badezimmer im Freien?); sondern es
war zudem auch noch in den Boden eingelassen, so daß der Betrachter es nur von oben einsehen konnte. Und da man im Badezimmer
Wasser erwartet, füllte Isæus-BerIin den ganzen
Raum mit Wasser. Auf diese Weise war aus
einem ganz gewöhnlichen Badezimmer ein Miniatur-Swimming-pool im Freien geworden.
Bei ihrem Projekt für Düsseldorf entstammen
die Gegenstände nicht dem Alltagsleben, son-
dern dem bekannten Märchen von Schneewittchen. Dabei arbeitet Isæus-Berlin mit dem Allgemeinwissen. Sie versucht nicht, irgendeinen
interessanten Aspekt herauszugreifen und ihn
neu zu interpretieren, sondern geht unmittelbar
vom Kern der Geschichte aus. Jeder weiß, daB
Schneewittchen sieben Zwerge traf. Sie werden
sich vielleicht nicht an die Namen erinnern und
zudem der Meinung sein, daß die Geschichte
von Walt Disney stammt, aber Sie wissen über
die Zwerge Bescheid. Wie sähe die Geschichte
nun aus, wenn es sich stattdessen um sieben
großgewachsene Kerle handeln würde? Wäre
sie überhaupt möglich? Isæus-Berlin arbeitet
hier mit einer künstlerischen Mischform. Am
Eröffnungsabend wird sich die Installation (sieben zwergengroße Betten) in den Schauplatz
einer Performance vemandeln: Sieben große
Düsseldorfer Künstler versuchen dreißig Minuten lang, es sich auf den Betten bequem zu ma-
chen.
So stellt Isæus-Berlin die Frage wörtlich: „ Was
wäre geschehen, wenn Schneewittchen sieben
große Kerle anstelle der kleinen getroffen
hätte?” Nur die Größe der Männer ist verändert.
Die Betten machen klar, daß die Umgebung der
Geschichte immer noch dieselbe ist, das heißt
auf Zwerge zugeschnitten. Ein Titel, der auf den
ersten Blick den Eindruck erweckt, daB die siben großen Männer auch in einer Umgebung für
Große wohnen, ist noch eine weitere Irreführung. All unsere sexuellen Phantasien diesbezüglich laufen hier ins Leere, und wir können Ob
der absurden Situation nur lachen.
Fast immer ist Isæus-BerIin’s Kunst witzig. Das
in Philosophie und Politik gleichermaßen gültige„ Alles Andere ist gleich” wird zum Gegenstand
der Ironie und der ernsthaften Kritik zugleich, In
der Welt von Isæus-BerIin ist alles Andere nicht
gleich. Alles ist anders, Gleich, gleich — aber anders. Doch geht der Witz nicht auf Kosten des
Betrachters. Vielmehr beruht er auf der Tatsache, daß wir so vieles für bare Münze nehmen,
Unser Ewartungshorizont wird ständig attackiert. Das Leben geht vorüber, aber wir sehen
nur, was wir sehen zu sollen glauben. Gewißheit
ist nichts als ein Konstrukt, und das Leben wird
interessanter und reicher, wenn wir auf Gewißheit verzichten.
Im Kern der Kunst von Isæus-BerIin lauert eine
ebenso ernstgemeinte wie gewichtige Frage,
wie das bei Witzen ja meist der Fal ist. Ihre Kritik ist nicht spezifisch, sondern allgemein. Was
taugen unsere Vorurteile? Was haben sie der
Welt für Vorzüge gebracht? Das Resultat lautet
also: Ja, Größe spielt eine Rolle. Fragen Sie ma
Godzilla. Håkan Nilsson, Übersetzung:NANSEN
Fast normal /Almost as usual, 1997
Die sieben Zwerge/The seven dwarfs, 1998